Missbrauchs-Urteile: Betroffenenrat rügt Bistum und Kirche

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Der Betroffenrat im Bistum Aachen kritisiert die Rolle der Kirche bei den ersten Urteilen des Aachener Landgerichts von Anfang des Monats zu den Missbrauchs-Klagen.

Auch wenn die Fälle verjährt seien, würden sie die Schuldigen nicht von der Schuld, sondern nur von der Haftung befreien. Der Schadenersatzanspruch wäre nicht erloschen, wenn die Kirche nicht darauf verzichtet hätte, gegen die Verjährung vorzugehen. Wer Schuld hat, soll auch zahlen, so die Meinung des Betroffenenrats.

Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, dass sich Bischof Dieser auf die Einrede der Verjährung berufen hat, zumal er nach dem Kölner Urteil im Fall Menne die Betroffenen ermunterte, den Klageweg zu beschreiten.


"Die katholische Kirche hier im Bistum legt an sich selbst offenbar weniger strenge moralische Ansprüche als die Allgemeinheit."

Die katholische Kirche hier im Bistum lege an sich selbst offenbar weniger strenge moralische Ansprüche als die Allgemeinheit, heißt es. Die Institution, die Hüterin von Glauben und Moral sein wolle, habe sich über Jahrzehnte und wohl Jahrhunderte zutiefst amoralisch verhalten und setze dieses Verhalten auch weiterhin fort.

Dass Priester ihre Macht ausgenutzt haben, um Kinder und Erwachsene zu quälen und sexuell zu missbrauchen, sei das eine. Das andere sei, wie die Kirche damit umgehe.

Opferschutz hatte demnach wenig bis gar keine Bedeutung, eher das Ansehen der Kirche und die Solidarität unter den Geweihten.

Selbst Verurteilungen und Gefängnis hinderten Bischöfe nicht daran, pädophile Priester zu versetzen und wieder in die Nähe von Kindern zu bringen, oft ohne die neuen Gemeinden zu warnen. So habe die Kirche Täter gefördert, die dadurch zu Serientätern werden konnten und ihren kriminellen Trieben nachgingen.

Die Täter kirchenrechtlich zu verurteilen, sei aber vermieden worden. Die Fälle habe man stattdessen in geheimen Archiven abgelegt. Oft seien die Akten schon nach wenigen Jahren – kirchenrechtskonform – vernichtet worden.

Eine Organisation von der Größe der katholischen Kirche werde zwar immer mit fehlbaren Individuen zu tun haben. Die Kirche als Institution müsse sich aber den Vorwurf gefallen lassen, ihrer Führungsverantwortung gegenüber Priestern nicht hinreichend nachgekommen zu sein.


"Vernebelungsstrategien bei Missbrauchsfällen"

Kirchenintern schien man über die Vernebelungsstrategien bei Missbrauchsfällen offen zu kommunizieren, was die Versetzungen in andere Bistümer belegen, so der Betroffenenrat. Ein Priester, der eine feste Freundin hat, werde eher exkommuniziert als ein Priester, der sich an Kindern vergeht - der werde nur versetzt. So präsentiere sich die Kirche als eine obskure, in Teilen kriminelle Organisation, zeitfremd und gottvergessen zugleich.

Die Kirche glaube nach wie vor, sie könne ihre Probleme mehrheitlich selbst und intern bewältigen. Das Gutachten zum sexuellen Missbrauch im Bistum Aachen zeige allerdings, dass diese Vorstellung naiv sei und die Befangenheit der Würdenträger oft zu fatalen Fehlentscheiden geführt habe.

Wie wolle sie noch die Beichte abnehmen und ihre Richterfunktion wahrnehmen, wo sie sich selbst so schuldig gemacht habe? Sie könne nicht einmal mehr die Abkehr von der Kirche verurteilen.

Wer sich vehement weigere, die Archive zu öffnen, um die Schuld festzustellen und um begangenes Unrecht zu sühnen, habe kein Recht auf eine höhere Moral und auch kein Recht auf Vergebung.


"Die katholische Kirche als Institution hat den Anspruch verloren, moralische Instanz in der Gesellschaft zu sein."

Die Kirche verhalte sich selbst widersprüchlich, indem sie diesen Missbrauchsopfern die Notwendigkeit der Leidanerkennung und des Leidausgleichs im Anerkennungsverfahren bestätige, dann aber die Realisierung des bestehenden Rechtsanspruchs auf vollen Schadensausgleich vereitele und den angemesseneren Leidausgleich verweigere. Das konterkariere die eigenen Anerkennungs- und Aufarbeitungsbemühungen. Dass sie diesen Weg gehe, demütige die Betroffenen zum wiederholten Mal.

Die katholische Kirche als Institution habe den Anspruch verloren, moralische Instanz in der Gesellschaft zu sein. Es sei nahezu verstörend, mit welch breitwilligem Einverständnis und Schweigen sich ein Teil der Laien gegenüber der katholischen Kirche verhalte.