Trump-Erfolg "ernüchternd, aber nicht überraschend"
Veröffentlicht: Mittwoch, 06.11.2024 15:52
"Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl ist ernüchternd, macht perplex – ist letztlich aber wenig überraschend", das sagt RWTH-Aachen-Politikwissenschaftler Jared Sonnicksen.
Anhand der Umfragen in den letzten Wochen habe sich vor allem bei unentschlossenen Wählern schon eine Tendenz zu Trump gezeigt. Viele US-Amerikaner erhoffen sich durch Trumps Wiederwahl, dass sich ihre eigene finanzielle Lage verbessert.
Eine Überraschung: Auch bei Minderheiten, die Trump in der Vergangenheit immer wieder diskriminiert hat, konnte er punkten.
"Klar, es gibt die radikal-aggressiven Aussagen Trumps. Diese haben aber die Minderheiten nicht unbedingt beeindruckt – zumindest nicht wahlentscheidend", so Sonnicksen.
Trotz seinen Wahlerfolgs und der sich abzeichnenden republikanischen Mehrheit im US-Kongress könne Trump jetzt nicht grenzenlos handeln. Durch eine Mehrheit könne er zwar einfacher regieren, dennoch gäbe es drei Dinge, die ihn daran hindern könnten: Die Republikanische Partei sei gespalten, wodurch er nicht auf bedingungslose Unterstützung hoffen könne. Außerdem sei sein Handlungsspielraum durch unabhängige Gerichte eingeschränkt. Durch die föderalen Strukturen der USA blieben Trump und die republikanische Kongressmehrheit zudem auf die Zusammenarbeit mit den Bundesstaaten angewiesen.
Trumps Ankündigung, gegen politische Feinde vorgehen zu wollen, sei dennoch besorgniserregend, so Sonnicksen weiter.
Das Wahlergebnis könne sich auch auf die bestehenden weltweiten Konflikte ausüben. Im Nahost-Konflikt unterstütze die USA Israel seit langer Zeit - und das würde sich auch in Zukunft wohl nicht ändern. Kniffliger sei es beim Ukraine-Konflikt oder in der Beziehung zu China.
Auch die Weltwirtschaftsordnung sei gefährdet. Dennoch habe sich die Rolle der USA im internationalen System in den letzten Jahren relativiert.
"Natürlich ist die USA nach wie vor ein starker Player, aber die Position ist schwächer geworden. Andere Staaten sind aufgestiegen, die bekanntesten sind die BRIC-Staaten mit Brasilien, Russland, Indien, China und seit 2010 Südafrika. Auch die Allianzen verschieben sich.", ordnet der RWTH-Prof ein.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne, zum Beispiel flächendeckende Zölle, träfen die USA wahrscheinlich härter als Europa, vermutet der RWTH-Professor.
In seiner ersten Präsidentschaft hatte Trump zwar angekündigt, aus der NATO aussteigen zu wollen. Aber: "In der Gesamtbilanz sind die USA nicht aus der NATO ausgestiegen, zumindest hier war die politische Rhetorik dramatischer als das tatsächliche Handeln. Für die kommende Amtszeit ist es schwer zu prognostizieren, ich denke, wir können mit einem ähnlichen Muster rechnen. Klar ist: Es wird Verschiebungen geben und in der Bezie-hung zwischen den USA und Europa ruckeln. Mit einem NATO-Ausstieg rechne ich nicht, dennoch wird es spannend zu beobachten, wie Europa jetzt reagiert, also ob die Staaten in Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik ihre Zusammenarbeit verstärken", schätzt Sonnicksen.